10. Juli 1914 – Herzinfarkt in der k.u.k-Botschaft in Belgrad

Nikolaus Hartwig, der russische Botschafter in Serbien, besucht den österreich-ungarischen Botschafter und stirbt in der k.u.k-Botschaft.

kurier.at: Tod durch Herzschlag in der Gesandtschaft Während der Konversation, „die in einem sehr konzilianten Tone geführt wurde, griff der Gesandte von Hartwig plötzlich mit der Hand gegen das Herz, beugte den Kopf und fiel vom Kanapee auf den Fußboden“.

wienerzeitung.at: Diplomatie mit Hintergedanken Erst später erkannte (Wiens Botschafter) Giesl die weitreichenden Folgen von Hartwigs unerwartetem Tod. Dieser war nämlich von der Schlagkraft der serbischen Armee wenig überzeugt und wollte deren Aufrüstung abwarten, bevor man zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit Russland zum großen Krieg gegen die Donaumonarchie ausholte.

Problem waren jetzt nur die Gerüchte, dass Giesl seinen russischen Kollegen umgebracht hat:

welt.de: Österreichs Gesandter soll Russen ermordet haben – Obwohl der 56-Jährige bekanntermaßen an Angina Pectoris und starkem Bluthochdruck gelitten, sich auch in den ersten Julitagen fortdauernd sehr schlecht gefühlt hatte, stand für Ludmilla von Hartwig sofort fest: Ihr Vater musste von Giesl ermordet worden sein.

Nikolai Hartwig war auch kein Freund der Österreicher:

ersterweltkriegheute.de: Anstatt – wie alle anderen Gesandten in der serbischen Hauptstadt – die Fahne vor seiner Botschaft auf Halbmast hängen zu lassen, lud er am Abend des 28. Juni zu einer kleinen Party ein.

Der österreich-ungarische Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf schreibt am gleichen Tag an seinen Außenminister Leopold Graf Berchtold einen Brief und drängt auf einen klaren und wenn dann schnellen Kriegskurs.

Der k. u. k. Chef des Generalstabes an Grafen Berchtold: Für mich, in meiner Eigenschaft als Chef des Generalstabes, kommt nur die präzise Formulierung der Entscheidung in Betracht, ob auf den Ausbruch eines Krieges gegen Serbien direkte hingearbeitet oder ob nur mit der Möglichkeit eines Krieges gerechnet wird. (…) Steht aber der Entschluß zur Demarche fest, dann müßte dieselbe im Hinblicke auf die militärischen Interessen in einem einzigen Akt mit kurzbefristetem Ultimatum geschehen, welchem, wenn er abschlägig beschieden wird, sofort der Mobilisierungsbefehl zu folgen hätte.

Nur wird Ö-U am 27. Juli den Deutschen erklären, dass es Serbien gar nicht vor dem 12. August angreifen kann …
Die Untersuchungen zum Mord, weisen für Wien auf Hintermänner in Belgrad hin.

aera-magazin.de: Berliner Tagblatt – Man nimmt hier an, die in Serajewo geführte Untersuchung werde in einer Woche abgeschlossen sein, das Ergebnis soll sofort veröffentlicht werden. Schon das bisherige Ergebnis der Untersuchung liefert, wie verlautet, Anhaltspunkte dafür, dass das Zentrum der in Bosnien betriebenen großserbischen Bewegung sich in Belgrad befindet. (…) Und die „Wiener Allgemeine Zeitung“ stellt fest, dass die serbischen Pressekundgebungen noch heftiger, noch hetzerischer und noch schamloser seien, als jene der letzten Tage.

Neue Hinweise auf österreich-ungarische Kriegspläne schon vor den Sarajevo-Attentat?

Neue Hinweise? Kurz: Nein, die Hinweise sind meiner Meinung nach jedenfalls nicht neu. Es gab 1914 in Österreich-Ungarn ganz klar eine Gruppe, die schon länger für einen Krieg gegen Serbien war. Das Dokument wird ein weiterer Beleg dafür sein.

Die Tiroler Tageszeitung Online und eine englische Ausgabe einer serbischen Zeitung melden heute, dass es schon vor dem Sarajewo-Attentat Kriegspläne der k.u.k-Monarchie gegen Serbien gab.

Tiroler Tageszeitung: 1914/2014: Kriegspläne angeblich schon vor Sarajevo-Attentat – General Oskar Potiorek soll den entlarvenden Brief bereits am 28. Mai 1913 an den damaligen österreichisch-ungarischen Finanzminister Leon Bilinski geschickt haben.

inSerbia.info: Letter From 1913 That Reveals That Vienna Planned WWI Presented – Plans for the start of the World War I existed 13 months before Sarajevo assassination and 14 months before the Austro-Hungarian declaration of war on Serbia, according to so far hidden letter, which was presented today in Andricgrad by the Director of the Archives of Serbia, Miroslav Perisic.

Das Dokument war in den zwanziger Jahren aufgetaucht, scheint aber verschwunden.

Prinzipiell neu scheint mir das nicht; es gab in der Donaumonarchie hochrangige Scharfmacher – wie eben Leon Biliński – gegen Serbien:

Wikipedia: Leon Biliński – Biliński gehörte zur Kriegspartei, den Befürwortern einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Serbien, zusammen mit den wichtigsten Exponenten der Gesamtmonarchie, wie Ministerpräsident Karl Stürgkh, Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf und Kriegsminister Alexander von Krobatin. Gemeinsam mit Außenminister Leopold Berchtold war Biliński schon beim Ministerrat am 2. Mai 1913, während der SkutariKrise, für die Angliederung Serbiens als gleichberechtigter Teil der Monarchie eingetreten.

Und Franz Conrad von Hötzendorf hatte detaillierte Operationspläne gegen Russland, Serbien und Italien ausgearbeitet. Er hatte zwischen 1913 und 1914 25 Mal vergeblich einen Krieg gegen Serbien verlangt, wie auch Christopher Clark in seinem „Schlafwandler“-Buch über den Generalstabschef berichtet.

1909, als die bosnische Annexionskrise ihren Höhepunkt erreichte, war von Hötzendorf auch einer der, der alles vorhersah.

„Es ist ein Verbrechen, dass jetzt nichts geschieht. Der Krieg mit Serbien hätte die Monarchie gerettet. In wenigen Jahren werden wir diese Unterlassung bitter büßen, und ich werde dazu auserkoren sein, die ganze Verantwortung zu tragen und den Kelch bis zur Neige zu leeren.“

Nachtrag, 7.1.: Da war ich ja noch richtig entgegenkommend, indem ich tatsächliche Hinweise auf Kriegspläne nannte. Inzwischen ist eine Agentur-Meldung dazu (auch) in der NZZ und der Welt (siehe in den Kommenataren) angekommen. Und da heißt es:

Serbien «beweist» seine Unschuld: In dieser Übersetzung steht so ziemlich das Gegenteil dessen, was Serbien dem Brief zuschreibt. Zwar spricht der Wiener Militärgouverneur von einem «unausweichlichen Krieg in einigen Jahren» (… schlägt aber auch ein Handels-, Zoll- und Militärabkommen zur Entschärfung der Lage vor.)