Der Erste Weltkrieg ist ein Musterbeispiel für den Unterschied zwischen Ursache und Anlass. Der Anlass, der dazu führte, dass die damaligen europäischen Großmächte anfingen aufeinander einzuschlagen, war die Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo am 28. Juni 1914. Ursache war aber die Politik der Großmächte in den Jahren und Jahrzehnten zuvor.
Seit der Unabhängigkeit Griechenlands 1830 waren auf dem europäischen Gebiet des Osmanischen Reiches viele neue Staaten am entstehen. Der Nationalismus, den die Französische Revolution ausgelöst hatte (das französische Volk musste seine Revolution (Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) gegen die konservativen Monarchien Europas verteidigen) wurde von anderen Völkern aufgegriffen.
War es vor 1789 der sowieso immer Steuern zahlenden Bevölkerung ziemlich egal welche Sprache oder Nationalität ihr Landesherr hatte, so änderte sich dies nun langsam aber sicher in ganz Europa. Mit weitreichenden Folgen. So herrschte Österreich auf dem Balkan unter anderem über Ungarn, Tschechen, Kroaten, Slovaken oder Polen. Zwar waren die Gebiete wie Böhmen mit den Tschechen schon seit dem Mittelalter Teil des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ gewesen, aber die Nationalität wurde erst jetzt interessant. Im europäischen Teil Russlands lebten ebenfalls nationale Minderheiten wie beispielsweise Finnen, Esten, Litauer oder Polen. Ebenso in Preußen, welches dank der Aufteilung Polens zwischen Russland, Preußen und Österreich eine polnische Bevölkerung hatte.
Im Berliner Frieden von 1878 wurden die vormals türkisch-osmanisch beherrschten Länder Bulgarien, Montenegro, Rumänien, Serbien souverän. Österreich-Ungarn durfte Bosnien und die Herzegowina besetzen und Großbritannien erhielt Zypern.
Aber es gab noch reichlich Land des langsam zerfallenden osmanischen Reiches zu verteilen, denn Albanien, Nordgriechenland, Makedonien, und Südbulgarien (Namen aus heutiger Sicht) blieben türkisch.
1908 kommt es zur Revolution der Jungtürken unter Enver Pascha. Das osmanische Reich soll eine Verfassung und gleichberechtigte Untertanen bekommen. Die Balkanstaaten sehen in der türkischen Schwäche Gelegenheiten zur Nationalismusauslebung und Gebietsvergrößerung.
1908 annektiert Österreich-Ungarn das schon besetzte Bosnien-Herzegowina, um Fakten zu schaffen. Serbien sieht dadurch seinen Weg zum Meer und sein „Recht“ auf ein Großserbien verhindert. Österreich-Ungarn wird in seinem Handeln von Deutschland unterstützt. Dadurch kommen die beiden Mittelmächte in Konflikt mit Russland, das Serbien unterstützt. Der pro-serbische russische Außenminister Iswolski tritt schließlich zurück und wird russischer Botschafter in Paris.
1911/12 kommt es zum Krieg zwischen Italien und der Türkei um Libyen. Russland vermittelt die Gründung des Balkanbundes zwischen Serbien und Bulgarien mit dem Hintergedanken den Einfluss Österreich-Ungarns einzudämmen. Die türkische Schwäche wird 1912 von Montenegro, Serbien, Griechenland, Rumänien und Bulgarien genutzt, um ihr Staatsgebiet auf Kosten des europäischen Restes des osmanischen Reiches zu vergrößern.
Der Erste Balkankrieg ist Montenegro, Serbien, Griechenland, Rumänien und Bulgarien gegen die Türkei.
Die Großmächte mischen natürlich auch mit und unterstützen verschiedene Balkanstaaten. Russland unterstützt Serbiens Pläne zum Meer zu gelangen, Österreich-Ungarn unterstützt Bulgarien, um Serbien und Italien zu bremsen. Denn Italien möchte Albanien kassieren und besetzt in der Ägäis vor der türkischen Küste die Dodekanes.
Auf der Londoner Konferenz im Mai 1913 vermitteln Deutschland und England die Verteilung des ehemaligen osmanischen Kuchens. Nur sind sich die jungen Balkanstaaten selbst nicht grün und fallen beim Beuteverteilen im Juni 1913 übereinander her.
Der Zweite Balkankrieg ist Montenegro, Serbien, Griechenland und Rumänien gegen Bulgarien. Bulgarien greift Serbien an und Montenegro, Griechenland sowie Rumänien unterstützen Serbien. Österreich-Ungarn will Bulgarien beistehen, wird aber von Deutschland und Italien daran gehindert, denn Russland war ja auch noch im Hintergrund als serbischer Verbündeter.
Im August kommt es zu Frieden von Bukarest. Serbien hat sein Staatsgebiet verdoppelt, ist aber noch immer ohne Seehafen, Albanien ist selbstständig und Bulgarien verliert Mazedonien an Griechenland und Serbien.
Infolge nicht eindeutig festlegbarer ethnischer Grenzen und eigentlich damals immer noch anachronistisch nationale Minderheiten ignorierende in „Groß“reichen denkenden nationalistischen Politikern, blieb der Balkan auch nach seinen beiden Kriegen 1912/13 ein Spannungsfeld.