Die „Darmstädter Zeitung“ vom 2.1.1914 blickt neben – im wahrsten Sinne des Wortes Hofberichterstattung vom großherzoglichen und kaiserlichen Neujahrsauftakt – auf der ersten Seite auf den Balkankrieg 1913 zurück. (Wie man sieht, waren Zeitungen damals ziemliche Bleiwüsten.)
Deutschland müsse anders als zu Zeiten Bismarcks die Vorgänge auf dem Balkan berücksichtigen, heißt es da. Der frühere Reichskanzler hatte 1876 noch erklärt, dass das Deutsche Reich auf dem Balkan kein eigenes Interesse verfolgte, „welches auch nur (…) die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Musketiers wert wäre“. Das Deutsche Reich sei inzwischen wirtschaftlich auf der Balkanhalbinsel und im asiatischen Teil der Türkei engagiert. Und auch die Bündnispartner Österreich- Ungarn und Italien.
Nur einmal konnte Deutschland (…) Oesterreich-Ungarn nicht zur Seite stehen, als nämlich die auswärtige Politik Oesterreichs plötzlich einen Seitensprung zugunsten Bulgariens machte und dadurch das eng befreundete Rumänien vor den Kopf stieß. Damals war man in Oesterreich einigermaßen verstimmt, dass man in Deutschland diese Extratour nicht mittragen wollte. (…)
Worauf auch (zufällig) aktuell der Militärhistoriker Michael Epkenhans in einem Interview mit „Das Parlament“ hinweist: „Ein sehr gefährliches Spiel“ – „1912 und 1913 bei den beiden Balkankriegen hat Berlin Wien daran gehindert, einen Lokalkrieg zu führen, 1914 nicht mehr, weil man hoffte, damit Österreich, aber auch die eigene Position im Mächtesystem zu stärken.“
Als Erfolg wurde Anfang 1914 verbucht, dass die Türkei weitere deutsche Offiziere für die militärische Zusammenarbeit angefordert hatte.
Als im Herbst 1912 die Türkei im ersten Teil des Feldzugs Mißerfolg auf Mißerfolg erlitt, konnten sich die deutschfeindlichen Organe Frankreichs und Rußlands gar nicht genug darin tun, die türkischen Niederlagen als eine Blamage für die deutschen Instrukteure in der Türkei hinzustellen.
Der Kommentar findet, dass sich das deutsch-britische Verhältnis verbessert hat und hofft auf weitere Fortschritte in den nächsten Jahren.
In früheren Zeiten hätten bei Hetzereien der beschriebenen Art gegen Deutschland englische Blätter die führende Rolle gehabt. Diesmal waren es ausschließlich französische und russische Organe, während sich die englische Presse ebensowohl wie die englische Regierung sehr zurückhielten. Dies ist ein erneuerter Beweis für die Verbesserung der deutsch-englischen Beziehungen. Deutschland und England sind während der sehr schwierigen Verhandlungen über die Orientalischen Angelegenheiten fast stets im Einverständnis miteinander gewesen, wenn auch natürlich England sich ebensowenig von seinen Freunden Rußland und Frankreich trennen konnte, wie Deutschland von Oesterreich-Ungarn und Italien. (…) Zu gleicher Zeit haben die schon seit langer Zeit schwebenden wirtschaftlichen Abmachungen zwischen Deutschland und England über asiatische und koloniale Verständigungen sowie afrikanische Fragen erhebliche Fortschritte gemacht und stehen nahe vor einem Abschluss. Der Hauptwert dieser Abmachungen besteht darin, dass die möglichen Reibungsflächen zwischen beiden Ländern eine Verminderung erfahren und darum zu hoffen ist, dass die Besserung der Beziehungen zwischen denn stammverwandten Nationen in den nächsten Jahren noch weitere Fortschritte machen wird. Das aber ist von nicht geringer Bedeutung für den Weltfrieden, wenn Frankreich nicht England auf seiner Seite weiß, so wird es sich sehr davor hüten einen Krieg mit Deutschland vom Zaune zu brechen.