100 Tage Grün-Schwarz in Darmstadt – Hoffentlich bald weniger „amerikanisches Theater“

Jochen Partsch (Grüne), Ctirad Kotucek, Rafael Reißer (beide CDU), Brigitte Lindscheid und Hildegard Förster Heldmann (beide Grüne) stießen am 20. Mai 2011 auf den gerade auf dem Hofgut Oberfeld unterschriebenen Koalitionsvertrag an.

Für die Bessunger Neuen Nachrichten (PDF, 2 MB) war ich auf der Bessunger Kerb, und auf Seite 4 kommentiere ich die ersten 100 grün-schwarze Tage in Darmstadt.

Einhundert Tage grün-schwarzes Darmstadt – Ein Kommentar
Bei einer Wahl können die Bürger „weiter so“ oder „weg mit denen“ sagen. In Darmstadt war es eine Wahl zwischen fortgesetzter Routineschlamperei oder Anfängerfehlern. Die SPD-Stadträte gingen einiges sehr locker an und die oppositionelle CDU hatte seit Jahrzehnten keinen hauptamtlichen Dezernenten.

Mit Grün-Schwarz gab es zum Start nun Routineschlamperei plus Anfängerfehler. Die Stadtregierung traf sich zur Haushaltsklausur. Und der neue Kämmerer verkündete die Grundsteuer um 21 Prozent anzuheben, tatsächlich waren es aber 24,3 Prozent. Die Idee, ein neues Rathaus auf der Knell zu bauen, war ein weiteres gemeinsames Klausurergebnis, welches man beerdigte, da man vergessen hatte, dass aufder Knell ja gar kein Platz ist und das Gelände wegen der Seveso-2-Richtlinie sowieso nur eingeschränkt nutzbar ist.

„Der alte Politikstil muss zu Ende gehen“, war im Wahlkampf von Jochen Partsch gefordert wor-den, aber das ist nur in Teilen zusehen. Man stürzte die Kassen und verkündete, dass die Lage ganz schlimm sei – ein guter Brauch bei Regierungswechseln, weltweit. Auch ein guter Brauch ist, nicht gewusst zu haben, dass die Kassen so leer sind. Nur haben die Grünen seit 1996 mitregiert.

Neuen Politikstil zeigte OB Jochen Partsch schließlich an seinem ersten Amtstag. Er verhängte einen Abrissstopp für das Amerikanische Theater (Performing Arts Center) in der Heim-stättensiedlung, nachdem er mit einer Bürgerinitiative gesprochen hatte. Die Woche zuvor hatten Grüne und CDU im Parlament einen ähnlichen Antrag der Linkspartei mit Mehrheit stumpf abgelehnt. Dabei hätte man ja im Sinne eines neuen Stils – den Antrag in den Ausschuss überweisen können. Oder signalisieren, dass der OB an einer Lösung arbeite, man aber etwas Zeit brauche. Es gibt im Parlament mehr als Ja oder Nein. Schließlich wurde das Gebäude wegen maroder Bausubstanz – was dem Vernehmen nach von Anfang an klar war – doch abgerissen.

War also alles nur „amerikanisches Theater“, um einen Amtsantritt mit Schlagzeile zu haben?

Neuer Politikstil war es auch nicht, bei der nun zusätzlichen Referentenstelle im Baudezernat auf frühere Personalbesetzungen zu verweisen. Warum zählte man nicht einfach die Gründe auf und ließ es dabei bewenden? Statt dessen wurde nachgetreten und an die damals vier neuen Mitarbeiter bei Walter Hoffmann erinnert. Das ist kein neuer Politikstil. Auf die anderen zeigen, um eigenes Handeln zu rechtfertigen, ist so alt, dass es sogar das lateinische „Tu quoque“ („Du auch“) dafür gibt.

Darmstadt ist auf jeden Euro angewiesen. Im Mai 2010 sagte der – damals oppositionelle – Kämmerer André Schellenberg in einen Interview, dass die Stadt ihre Außenstände besser eintreiben müsse, da sie dort jährlich Millionen Euro verlöre.

Auf eine halbe Million Euro hat Grün-Schwarz gleich verzichtet, ohne das Schellenberg dazwischen ging. Man erließ dem SV 98 rund 500.000 Euro. Man kann das unterschiedlich bewerten und diskutieren, aber das Signal war: Gespart wird später. Was man irgendwie von früher kennt. Hier hat jetzt Regierungspräsident Johannes Baron den städtischen Schuldenerlass zunächst einmal auf Eis gelegt.

Fazit: Die neue Stadtregierung sollte den „neuen Politikstil“ nun allmählich präsentieren. Die geplante Bürgerversammlung zum Stadthaushalt am 28. November wäre ein passender Anfang. Ansonsten wird man bei der Kommunalwahl 2016 grün-schwarz mit früheren roten Zeiten vergleichen feststellen müssen: „Das war ja nur dasselbe in grün.“

Zusammenfassung: Heinertown mahnt Darmstädter Blogger ab – letztes Update: 14.9.

Abmahnung gegen einen Darmstädter Blogger. Das gab es schon länger nicht – oder es ist gar das erste Mal. Die Darmstädter Online-Zeitung Heinertown.de (die Darmstädter werden auch Heiner genannt) fand vergangene Woche einen Eintrag des Blogger Jörg Helene (renegadenation.wordpress.com) als Beleidigung sowie ehrenrührig und hat den Kommentar zu ihrer Arbeitsweise am 1. September abgemahnt.

Helene hatte eine von Heinertown ausgemachte „Hass-Kampagne“ der Darmstädter Oppositionsparteien gegen die neue grün-schwarze Stadtregierung, als „Kampagne, die jeden Mucks, den die Opposition von sich gibt, mit Angriffen im Stürmer-Stil auf die Führungspersönlichkeiten der oppositionellen Fraktionen beantwortet“, kritisiert.Auch einen Boykottaufruf sah der Anwalt. Denn der Blogger hatte geschrieben: „Ich würde mir wünschen, dass die Großkopferten der Stadt geschlossen aufhören würden, mit Heinertown zu sprechen.“

Helene nahm den Blogeintrag vom 30. August aus seinem Blog, weil er keine Lust hatte vor Gericht zu ziehen, wunderte sich aber. „Für eine Zeitung, die einen solchen Duktus pflegt wie Heinertown und zudem es schon als Angriff auf Presse- und Meinungsfreiheit ansah, als sie von der Stadt keine Auskunft bekamen, ist das reichlich unsouverän.“ Helene sieht seinen Kommentar als Meinungsäußerung.

Die Meldung über die Abmahnung machte die Runde, ganz geräuschlos lief die Abmahnung nicht ab, für Darmstädter Verhältnisse sind die Zugriffszahlen auf Jörg Helenes Blog jedenfalls enorm. Und der Kommentar fand mehr Beachtung als zuvor, der klassische Streisand-Effekt fand statt.

Wegen der Unterlassungserklärung verhandelte Helene dann mit dem Heinertown-Anwalt, letzter Stand war, dass er die Anwaltskosten nicht übernimmt, dafür aber alles über Heinertown aus seinem Blog entfernt. Nach eigenen Bekunden hat er die Vereinbarung nicht unterschrieben, die Einträge über Heinertown aber entfernt. Er werde sich auch nicht mehr öffentlich dazu äußern, versicherte er.

Am 8. September verkündete Jörg Helene dann sein Blog zu schließen und im Laufe der Zeit zu löschen. „Es ist mir einfach zu mühselig ständig bedenken zu müssen, ob nicht irgendein Wort, das man in einem Beitrag schreibt, irgendwer glaubt, als Beleidigung oder Lüge wahrnehmen zu müssen und mich dann zu Handlungen zwingt (wie z.B. einem Rechtstreit), die ich nicht tun will.“

Noch am gleichen Tag entschloss sich die Darmstädter alternative Wählergruppe „Uffbasse“ den abgemahnten Blogeintrag auf ihrer Website (www.uffbasse-darmstadt.de) erneut zu veröffentlichen und um gegen dei Abmahnung zu protestieren. „Nach der Lektüre kann jeder selbst entscheiden, ob der Text die ganze Aufregung wert ist und warum Heinertown solche Geschütze auffährt um wirklich kritische Menschen mundtot zu machen“, schrieb die Stadtverordnete Kerstin Lau. „Wir brauchen in Darmstadt dringend eine Alternative Presse zum Darmstädter Echo – aber so was brauchen wir nicht!“

Am 9. September regierte nun auch Heinertown in einer Antwort auf einen Leserbrief. Man habe abgemahnt, weil „Herr Hélene den Verlags-Kollegen jüdischer Herkunft de facto unterstellt hat, sie würden bei einer tendenziell faschistoiden beziehungsweise faschistischen Berichterstattung mitwirken“, erklärte Chefredakteurin Angela Barani. Auch blieb sie dabei, dass der Blogger zum Boykott aufgerufen habe. Und: „Bei Lichte betrachtet hat Herr Hélene (…) einen alten braunen Satz mit einem rötlichen Anstrich versehen: ‚Kauft nicht bei Juden.‘

Nachträge:
11.9., 8 Uhr: Die Darmstädter FDP lobt Uffbasse für das wiederveröffentlichen des Kommentars und findete, dass wegen der Ereignisse in der nächsten Stadtverordnetenversammlung (29.9.) eine Aktuelle Stunde stattfinden sollte.

12.9.: Die Linkspartei Darmstadt kritisiert sie Abmahnung.

„Heinertown ist mit dem Anspruch angetreten, dem Darmstädter Medienmonopol eine alternative Stimme zur Seite zu stellen. Stattdessen ist nun eine andere Stimme bis auf weiteres zum verstummen gebracht …“

Und hat ebenfalls den abgemahnten Kommentar auf ihre Website veröffentlicht.

13.9.: Die Darmstädter „SPD-Fraktion erklärt sich mit Darmstädter Blogger solidarisch. Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen der online-Zeitung heinertown und dem Darmstädter Blogger Jörg Heléne, stößt bei der SPD-Fraktion auf völliges Unverständnis und Entsetzen.“

14.9.: Die Darmstädter Piratenpartei hat den abgemahnten Kommenatar ebenfalls auf ihrer Site veröffentlicht und hatte dies wohl schon recht bald nach dem 1. September angeboten.
Werden dann “kleine” Autoren mit langwierigen und kostspieligen Verfahren bedroht, so geben sie in der Regel klein bei, da sie dafür weder ihre Nerven noch ihr Geld auf’s Spiel setzen wollen. Dabei würden solche Verfahren oft erkennbar mit der Niederlage des “großen” Prozessgegners enden, würde man sie bis zum Ende durchstehen. Diese Kultur schadet einer ausgewogenen, freiheitlichen und vielfältigen Meinungsäußerung in diesem Lande, denn so setzt sich das “Recht des Stärkeren” auf Dauer durch.

Heinertown läd Jörg Dillmann zum Streitgespräch, das Uffbasse aber ablehnt:

Vor allem aber geht es nicht um Jörg Dillmann, sondern um Jörg Helene. (…) es geht darum, dass durch eine Unterlassungsklage versucht wurde, einen Blogger, der seine Meinung geäußert hat, mundtot zu machen. Als das nicht funktioniert hat, hat Heinertown den schmerzhaftesten und demütigensten Vorwurf erhoben, der einen gebildeten, klugen und offenen Menschen wie Jörg Helene treffen kann: der Vorwurf des Antisemitismus und der Ausländerfeindlichkeit. Deshalb gibt es nur einen Menschen, den ihr einladen und aus tiefstem Herzen demütig um Entschuldigung bitten solltet, und das ist Jörg Helene.

Dokumentation:
Jörg Helenes Blogeintrag vom 30. August (dokumentiert bei Uffbasse)
Chefredakteurin Angela Baranys Erklärung vom 9. September (auch dokumentiert bei Uffbasse)

Na sowas – Heinertown-Kritik ist wieder da

„Uffbasse“ (nicht Jörg Helene!) hat den von Heinertown abgemahnten Kommenentar aus Jörgs Blog „wiederbelebt“:

Uffbasse, Heinertown: Dummheit ist kein Grundrecht – Geschrieben von Jörg Heléne am 30. August 2011 – Vermutlich ist dieser Blogeintrag ein Fehler …

Was sagen eigentlich die Darmstädter Parteien zu der Geschichte? Erzähl‘ mir keiner, man hätte das nicht mitbekommen.

Wie Blogs aus dem Internet verschwinden

Wie leicht man doch einen Kritiker loswerden kann, lerne wir jetzt gerade. Und die meisten Leute denken, wenn sie was in der Zeitung oder im Internet lesen, was sie nicht für richtig halten, an eine Gegendarstellung. Pfft. Pillepalle. Die Abmahnung trifft viel tiefer. Wie die Geschichte Heinertown./.Jörg zeigt:

Und schluss… – … Ansonsten sehe ich mich ab sofort nicht mehr in der Lage weiterhin zu bloggen. Hiermit ist schluss. Wenn man etwas in seiner Freizeit betreibt, kann es kompliziert werden, wenn man Menschen, die dasselbe professionell betreiben, ein Dorn im Auge ist …

Wie sich jetzt auch heraustellt, hatte Jörg die Vereinbarung mit Heinertown doch nicht unterschrieben, aber dennoch alles gemacht, wie vorgeschlagen.

So sehr ich es auch versucht habe, ich konnte meine Unterschrift nicht unter einen Vertrag setzen, mit dem ich eines meiner elementarsten Grundrechte beschneide. Jeder Muskel in meinem Körper hat sich dagegen gewehrt.

Was soll man sagen? Ein Blog zumachen ist nie schön, man hat doch viel Zeit reingesteckt, und was aufgebaut.

Jörgs Motivation kann ich verstehen, dass es so einfach wie oben beschrieben ist, ist mir seit Jahren klar. Eigentlich müsste man alleine deswegen zumachen und den Spruch bestätigen, denn ich neulich ausgegraben hatte: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Nur will man das? Will man sich auf Katzenfotos beschränken? Selbst da könnte einer kommen.

Ich hätte da ja eine Schlagzeile für eine unabhängige Großstadt-Tageszeitung: Wie man freche Typen im Internet in ihre Schranken weisen kann … lesen Sie im Innenteil.

FR: Rezepte gegen Crash und Depression

Ist da was dran?

FR-Kommentar – Rezepte gegen Crash und Depression: Die Schweizer Nationalbank macht es vor. Sie schafft den Marktmechanismus ab, indem sie sich ein Wechselkursziel verordnet. Eigentlich liegt die Blaupause in der Wirtschaftsordnung der Nachkriegszeit als feste Wechselkurse, Kapitalverkehrskontrollen, künstlich niedrig gehaltene Zinsen durch Ausschaltung des Marktmechanismus Vollbeschäftigung aufbauten.

Oder lag der Nachkriegsaufschwung am allgemeinen Wiederaufbau, der in den 70er Jahren abgeschlossen war?

Presse-Freiheit: Verleger und Anwalt gegen Blogger

Darmstadt 06.09.2011 – Es ist eine Auseinandersetzung, die in diesen Tagen in die mit Mails von Schreibtisch zu Schreibtisch zwischen Woogsviertel und Bessungen und Bochum ausgetragen wird. Es geht um die Frage, in welchem Umfang und mit welchen Inhalten ein unabhängiger deutscher Großstadt-Blogger seine Meinung schreiben darf. Etwa über den Herausgeber. Oder über seine Online-Zeitung Heinertown. Eine Betrachtung.

Wem der Duktus bekannt vorkommt, der hat recht

Mit dem Link zu obigen Artikelanreißer und dem zur Abmahnung eines Darmstadt-Blogs weil es auch mal die deutliche Aussprache pflegt – und für das auch Artikel 5 GG (Meinungs- und Pfessefreiheit) gilt – ist alles gesagt.

Inzwischen ist die Geschichte noch weiter rum, unter anderem bei Uffbasse

Mit großem Interesse verfolgen wir den Konflikt zwischen der Billig-Bild Abendpost Gazette Heinitown und dem Blogger Jörg H.

und bei Tribur.de

Jörg hat die unsachliche Berichterstattung des Bezahlmagazins Heinertown, (…), kritisiert und dabei darauf hingewiesen, dass Heinertown die Hoffnung,die er ihm als Gegenpol zum Echo bei ihrem Start zugestand bei weitem nicht erfüllt.

Oder ist das ganze ein Marketing-Maneuver, denn nicht nur bei Jörg werden die Klickzahlen hochgegangen sein? Nur so eine haltlose Vermutung.

Nebenbei fragt sich vielleicht einer, warum ich als freier Journalist nicht bei der Online-Zeitung engeheuert habe? Nein, es gab keinen Interessenkonflikt, weil ich vieles fürs ECHO mache …